Start Wirtschaft Amazon-Verteilzentrum im Grazer Süden: Kritik an geplanter Ansiedelung

Amazon-Verteilzentrum im Grazer Süden: Kritik an geplanter Ansiedelung

440 Lieferautos täglich unterwegs. 36 LKWs pro Nacht. Nicht-öffentliches Parkhaus mit rund 1300 Parkplätzen. Grazer SPÖ-Klubvorsitzende Michael Ehmann: „So gesehen wäre – offen und frei heraus gesagt – ein Amazon-Verteilzentrum in Graz nichts, was man unbedingt haben muss.“

Amazon Verteilzentrum Graz Karte

Der geplanten Ansiedelung eines großen Amazon-Verteilzentrums im Grazer Süden steht die Grazer SPÖ, Grüne und KPÖ kritisch gegenüber:

Aus unserer Sicht spricht nichts dafür, dass dieses Projekt seitens der Stadt forciert werden sollte, ganz im Gegenteil.

betont der Grazer SP-Klubvorsitzende Michael Ehmann. Es gelte vielmehr, dafür Sorge zu tragen, dass durch ein solches Projekt nicht AnrainerInnen wie auch die heimische Wirtschaft unter die Räder des Online-Giganten kommen.

Mehr zum Thema: Amazon-Verteilerzentrum kann ohne Umweltverträglichkeitsprüfung in Graz gebaut werden

Der Onlinehandels-Riese Amazon sei, obwohl ein milliardenschweres Unternehmen, für seine  steuerschonenden Praktiken bekannt, die dem Prinzip der Steuergerechtigkeit zuwiderliefen, wodurch heimische Unternehmen klare Wettbewerbsnachteile hätten. „Auch an den Arbeitsbedingungen der LagerarbeiterInnen wird regelmäßig massivste Kritik geübt“, warnt Ehmann und verweist in diesem Zusammenhang unter anderem auf einen Bericht des Momentum-Institutes vom Dezember diesen Jahres 1, in dem von „reiner Ausbeute“ die Rede gewesen war, über „12-Stunden-Arbeitstage, unbezahlte Überstunden, totale Überwachung und sogar ein Bestrafungssystem“ berichtet wurde.

So gesehen wäre – offen und frei heraus gesagt – ein Amazon-Verteilzentrum in Graz nichts, was man unbedingt haben muss.

In einer dringlichen Anfrage konfrontierte KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler Umweltlandesrätin Ursula Lackner am 2. Februar im Landtag mit den Folgen des geplanten Amazon-Verteilerzentrums in Graz für Umwelt und Arbeitsplätze. Die KPÖ fordert eine Umweltverträglichkeitsprüfung sowie einen Schulterschluss aller Parteien gegen die Verdrängung des heimischen Handels durch global aus Steuersümpfen agierende Online-Konzerne und den Austausch von regulären Arbeitsplätzen durch prekäre Arbeitsverhältnisse und Scheinselbstständigkeit.

Die Menschen brauchen Arbeit, von der sie leben können. Wenn ein Arbeitsplatz nach dem anderen durch einen unsicheren Billigjob ersetzt wird, wird sich die Wirtschaft nicht mehr erholen. Wer wenig verdient, kann sich auch nur Waren leisten, die wenig kosten. So entsteht eine Abwärtsspirale, die einige Konzerne reich, aber Millionen Menschen arm macht. Wenn so ein Konzern bei uns anklopft, dürfen wir noch auch noch den roten Teppich ausrollen, sondern müssen deutlich machen, dass es uns nicht egal ist, wenn Unternehmen in Steuersümpfen sitzen und Lohn- und Sozialdumping betreiben.

so KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler.

Speziell für AnrainerInnen massive Nachteile durch Amazon Logistikzentrum befürchtet

Geplanter Amazon Standort in Graz
Hier soll sich Amazon in Graz ansiedeln. Foto: Claudio Schiesl / Inside Politics

Das Zu- und Abfahren von 1240 Fahrzeugen rund um die Uhr bedeutet laut Claudia Klimt-Weithaler eine zunehmende Lärm- und Schadstoffbelastung für den gesamten Stadtteil, der auch durch den vermehrten Einsatz von E-Fahrzeugen nicht neutralisiert werden könne. Dazu komme die Verbauung einer 5,7 Hektar großen Fläche, was sich negativ auf die Erreichung der Klimaziele des Landes hat.

Selbstverständlich würde ein solches Verteilzentrum ein massiver Verkehrserreger sein – und dies auch in einem weiteren Umfeld. Nicht zuletzt auch aus diesem Grund sehe ich ein solches Projekt mehr als kritisch: Einerseits versuchen wir alles, um die Verkehrsbelastung innerhalb der Stadtgrenzen zu reduzieren – dass sich dann ausgerechnet ein ,Verkehrserreger‘ in unserer Stadt ansiedeln könnte, empfinde ich als bedenklich: Ohne Umweltverträglichkeitsprüfung kann das sowieso nicht gehen, eine solche sehe ich als Voraussetzung. Ebenso darf ein solches Projekt dem STEK in keiner Weise widersprechen!

so Ehmann. Ein Verkehrsproblem sieht auch Karl Dreisieber, Gemeinderat und Klubobmann der Grazer Grünen. Wird das Verteilerzentrum von Amazon am geplanten Standort realisiert, so würde dies innerhalb kurzer Zeit zu einem Zusammenbrechen des Verkehrs am Südgürtel führen und führt dazu aus:

Wir sehen den Betrieb eines Verteilerzentrums an diesem Standort, bei dem in kürzester Zeit mehr als 900 Fahrzeuge täglich in das Straßennetz der Stadt Graz eingeschleust werden sollen, als praktisch undurchführbar an. Daher fordern wir von den städtischen Verkehrsabteilungen und der Abteilung für Stadtplanung, dass sie umgehend umfassende Gutachten mit realistischen Verkehrsrechnungen erstellen und diese dem Land Steiermark sowie der Grazer Öffentlichkeit transparent zur Verfügung stellen.

Dass eine Amazon-Ansiedelung in Graz in irgendeiner Form durch die Stadt gefördert bzw. unterstützt würde, ist für den SP-Klubvorsitzenden jedenfalls „absolut denkunmöglich“. „Der heimische Handel, unsere EPU und KMU, viele Familienbetriebe stehen nicht zuletzt auch solcher Multis und Online-Giganten wegen unter einem enormen Druck, kämpfen ums Überleben: Da erübrigt sich wohl jeder Satz!“

Dreisiebner dazu:

Amazon und vergleichbare Konzerne dürfen nicht die gewachsene Infrastruktur und die Handelsbetriebe im steirischen Zentralraum auffressen und unseren Arbeitsmarkt noch weiter erschüttern. Das ist aus unserer Sicht eine der wichtigsten Aufgaben der kommunalen und regionalen Politik sowie der Interessensvertretungen.

Die Grüne Wirtschaftssprecherin und Gemeinderätin Andrea Pavlovec-Meixner:

Dem Verteilerzentrum dieses Unternehmensgiganten darf nicht die Lebensqualität der Menschen im Grazer Süden zum Opfer fallen. Kurzfristig muss die Stadt daher alles unternehmen, damit dieser Standort so nicht realisiert wird. Längerfristig braucht es endlich schlagkräftige Initiativen der Stadt Graz, des Landes Steiermark und der Wirtschaftskammer, um den regionalen Handel zu stärken.

ORF Sendung Eco über verlorene Grünflächen: Was tun gegen den rasanten Bodenverbrauch?

Am 18. März brachte die Sendung Eco im ORF einen Bericht von Bettina Fink über die Bodenbebauung in Österreich und konkret über den Protest gegen Amazon in Graz. Hier in der TVThek anzusehen.

Täglich werden in Österreich etwa 18 Fußballfelder an Grün- und Ackerflächen versiegelt – für Parkplätze, Häuser, Straßen oder Betriebsgelände. Österreich liegt damit im europäischen Spitzenfeld. Im Regierungsprogramm der türkis-grünen Koalition ist von Gegenmaßnahmen die Rede, etwa die Nachnutzung bereits verbauter Gelände und Industriebrachen. Doch der Neubau auf der grünen Wiese ist meist billiger und einfacher. In Graz wehrt sich derzeit eine Bürgerinitiative gegen den Bau eines Logistikcenters des Internet-Giganten Amazon – mit wenig Erfolgschancen. Gibt es Wege, den Bodenverbrauch bei Firmenansiedlungen zu reduzieren?

Mehr zum Thema

steiermark.orf.at/stories/3086617/

tvthek.orf.at/profile/Steiermark-heute/

Aktualisierung: 19. März – Bericht über Sendung Eco am 18. März ergänzt. 27. Jänner – Stellungnahme der Grazer Grünen und Link zur TVThek ergänzt. 2. Februar – Dringliche Anfrage von KPÖ-LAbg. Claudia Klimt-Weithaler im steirischen Landtag ergänzt. 26. Juli – Verweis auf UVP Entscheidung des Landes Steiermark ergänzt.

1 Kommentar

  1. Ich glaube auch nicht, dass wir das brauchen. Amazon sollte gar nicht mehr unterstützt werden.
    Obwohl ich lange Zeit dort selbst gekauft habe, besonders jetzt während der Pandemie und weil ich nicht viel hinausgehen kann.

    Aber jetzt ganz was anderes: Nicht nur junge Menschen verbringen viel Zeit am Computer.
    Die graue Schrift auf weißem Grund hat meine Sehkraft über die Jahre verschlechtert. Muss die Augen zusammenkneifen, um die graue Schrift lesen zu können. Warum macht man das eigentlich?

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