Start Österreich Regierung beschließt Maßnahmenpaket nach Amoktat in Graz

Regierung beschließt Maßnahmenpaket nach Amoktat in Graz

Nach der tragischen Amoktat am Grazer BORG Dreierschützengasse hat die Bundesregierung im Ministerrat ein umfassendes Maßnahmenpaket beschlossen. Ziel ist es, Opfer zu unterstützen, Schulen sicherer zu machen, das Waffenrecht zu verschärfen und Jugendliche besser zu betreuen. Auch medienrechtliche Änderungen sind geplant.

Der Amoklauf an der Grazer Schule Dreierschützengasse hat Österreich tief erschüttert. Zehn Menschen – neun Jugendliche und eine Lehrerin – wurden getötet. Die Bundesregierung reagiert nun mit einem umfassenden Maßnahmenpaket.

Im Mittelpunkt stehen ein 20-Millionen-Euro-Entschädigungsfonds für Betroffene, flexible Regelungen für Prüfungen an der betroffenen Schule sowie ein deutlicher Ausbau der schulpsychologischen Betreuung. Das Waffenrecht wird verschärft, das Mindestalter für bestimmte Waffen angehoben und psychologische Gutachten ausgeweitet.

Gleichzeitig werden Präventionsmaßnahmen in Schulen, der Kinderschutz sowie die digitale Jugendarbeit gestärkt. Auch medienethische Standards und der Umgang mit sozialen Netzwerken sollen überarbeitet werden, um Kinder und Jugendliche besser zu schützen. Das Ziel: mehr Sicherheit, bessere Vorsorge und konkrete Unterstützung für Betroffene.

1. Schärferes Waffenrecht: Missbrauch verhindern

Die Bundesregierung reformiert das Waffenrecht grundlegend, um Sicherheitslücken zu schließen:

  • Jede Schusswaffe darf nur nach Überprüfung der Zuverlässigkeit erworben werden.
  • Waffenpsychologische Gutachten werden verschärft, Kombiangebote verboten.
  • Waffenbehörden und Einrichtungen der psychischen Gesundheit tauschen Daten besser aus.
  • Stellungsergebnisse werden künftig bei Waffenüberprüfungen berücksichtigt.
  • Bei Auffälligkeiten kann ein Waffenverbot bis zu zehn Jahre gelten.
  • Der private Waffenverkauf darf nur noch über registrierte Händler erfolgen.
  • Bei schweren Vorstrafen oder Ermittlungen wird ein Waffenverbot verhängt.
  • Das Mindestalter für Kategorie-B-Waffen steigt auf 25 Jahre (mit Ausnahmen).
  • Neue Waffenbesitzkarten gelten nur acht Jahre, mit strengeren Kriterien für Verlängerungen.
  • Unter 25-Jährige erhalten altersabhängige Waffenbesitzkarten für Kategorie-C-Waffen.
  • Eine vierwöchige Abkühlphase gilt künftig beim ersten Waffenkauf.
  • Waffenverbotszonen rund um Schulen und Kindergärten werden geprüft.

2. Hilfe für Opfer: Fonds von 20 Millionen Euro

Ein Entschädigungsfonds in Höhe von bis zu 20 Millionen Euro wird eingerichtet, um Betroffene schnell und unbürokratisch zu unterstützen:

  • Zusätzliche Leistungen über das Verbrechensopfergesetz hinaus
  • Spezielle Hilfe für Schwerverletzte und psychisch traumatisierte Personen
  • Übernahme von Begräbniskosten
  • Finanzielle Unterstützung für die betroffene Schule in Kooperation mit Opferschutzeinrichtungen

3. Mehr Sicherheit und Prävention an Schulen

Die Regierung stärkt den Schutz und die psychische Betreuung in Schulen:

  • Die mündliche Matura an der betroffenen Schule wird flexibler gestaltet.
  • In den nächsten drei Jahren wird die Zahl der Schulpsycholog*innen verdoppelt.
  • Schulsozialarbeit wird auf alle Bundesschulen ausgeweitet.
  • Externe Präventions- und Gesundheitsangebote werden gestärkt.
  • Das Projekt „Gesund aus der Krise“ erhält mehr Mittel.
  • Notfallübungen und Sicherheitskonzepte werden überarbeitet.
  • Lehrer:innen erhalten flächendeckend Sicherheitsschulungen.
  • Bei Schulabbrüchen müssen verpflichtende Gespräche mit Eltern, Fachpersonal und Behörden stattfinden.
  • Fallkonferenzen mit Polizei, Jugendamt und anderen Stellen kümmern sich um auffällige Schüler:innen.
  • Schulstandorte überprüfen ihre Zugangskonzepte.

4. Jugendliche besser unterstützen – Isolation verhindern

Um Radikalisierung und soziale Isolation zu vermeiden, baut die Regierung Hilfsangebote für Jugendliche aus:

  • Erste-Hilfe-Schulungen für psychische Gesundheit werden für Fachkräfte erweitert.
  • Das Jugendcoaching wird gestärkt.
  • Deradikalisierungs-Workshops werden verpflichtend in AMS-Jugendangeboten integriert.
  • Digitale Jugendarbeit und aufsuchende Online-Angebote werden gefördert.
  • Die offene und verbandliche Jugendarbeit erhält zusätzliche Mittel.
  • Beratungsangebote wie die Hotline 147 werden ausgebaut.
  • Kinderschutz und Gewaltprävention stehen stärker im Fokus.

5. Medien in der Verantwortung

Die Regierung setzt auf mehr medienethische Verantwortung bei der Berichterstattung über Amoktaten:

  • Die Kriterien für Medienförderungen werden angepasst.
  • Audiovisuelle Mediendienste unterliegen strengeren Zulassungskriterien.
  • Maßnahmen gegen illegale und hetzerische Online-Inhalte werden auf nationaler und EU-Ebene ausgebaut.
  • Kinder und Jugendliche sollen gezielter über Social Media aufgeklärt werden.
  • Medienkompetenz-Programme wie Saferinternet.at werden erweitert.

Stimmen aus der Regierung

Bundeskanzler Christian Stocker:

Der grausame Amoklauf, der sich letzten Dienstag am Grazer BORG Dreierschützengasse ereignet hat, ist eine nationale Tragödie und hat ganz Österreich zutiefst erschüttert. Heute, eine Woche danach, ziehen wir konkrete Lehren aus dieser Tat und lösen das Versprechen ein, das wir den Angehörigen, den Betroffenen und ganz Österreich gegeben haben. Mit einem umfassenden Maßnahmenpaket verschärfen wir das Waffenrecht, erhöhen die Sicherheit und Prävention an unseren Schulen, bauen die Angebote zur Prävention und Betreuung gefährdeter Jugendlicher weiter aus und stellen wir die Unterstützung von Opfern und Hinterbliebenen durch einen eigenen Entschädigungsfonds in der Höhe von 20 Millionen Euro sicher. Mit den geplanten Verschärfungen setzen wir gezielt auf mehr Sicherheit und wirksame Vorsorge – ohne den verantwortungsvollen legalen Waffenbesitz pauschal in Frage zu stellen. Unser Ziel ist klar: Unsere Schulen müssen Orte bleiben, an denen die Schülerinnen und Schüler unbeschwert lernen, wachsen und Freundschaften schließen können. Mit diesem Maßnahmenpaket stellen wir die Weichen, damit das gelingt und sich alle darauf verlassen können, dass unsere Kinder in der Schule sicher sind.

Vizekanzler Andreas Babler:

Der Amoklauf in Graz am 10. Juni hat unser Land tief erschüttert. Zehn Menschen wurden brutal ermordet. Elf weitere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Die Familien, Freundinnen und Freunde, Lehrerinnen und Lehrer, Mitschülerinnen und Mitschüler der Opfer – sie alle bleiben mit einem Schmerz zurück, der nicht vergeht. Wir haben eine dreitätige Staatstrauer begangen – aber wir schulden den Opfern mehr als Beileidsbekundungen. Wir schulden ihnen Konsequenz. Die Politik muss handeln. Und dem kommen wir jetzt nach – mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket. Am wichtigsten: Wir werden das Waffengesetz massiv verschärfen. Wer gefährlich ist, soll keine Waffen mehr besitzen. Punkt. Darüber hinaus werden wir alles tun, um zu verhindern, dass sich so ein Anschlag je wiederholt. Wir investieren in Prävention, psychologische Betreuung und die Sicherheit unserer Schulen. Um die Opfer zumindest finanziell zu entschädigen, nehmen wir 20 Millionen Euro in die Hand, um etwa Begräbniskosten und psychologische Betreuung zu finanzieren. Und wir werden, das ist mir in meiner Funktion als Medienminister ein Anliegen, die Rolle der Medien bei der Berichterstattung rund um den Amoklauf genau reflektieren und daraus gegebenenfalls Maßnahmen ableiten. Denn: Anstand ist keine Einschränkung der Pressefreiheit – sondern ihre moralische Grundlage.

Außenministerin Beate Meinl-Reisinger:

Nach der grausamen Tat in Graz haben wir heute gemeinsam ein Paket an konkreten Konsequenzen und Maßnahmen im Ministerrat beschlossen. Unser Ziel ist es, dass alle Menschen in Österreich sicher sind. Das gilt insbesondere auch für unsere Kinder. Je früher wir solche Bedrohungen und Geschehnisse erkennen und verhindern können, umso besser. Daher setzen wir neben unbürokratischer Unterstützung für die akut Betroffenen, verschärften Waffengesetzen und einem besseren Datenaustausch auch Schritte für ein verstärktes Präventionsnetz. Unsere Sicherheit beginnt mit guter psychischer Gesundheit.

Foto: Florian Schrötter / BKA

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