Der Bundeskanzler zeigt sich in der heutigen Regierungserklärung bestürzt über das Ausmaß der Gewalt und drückt sein tiefes Mitgefühl für die Angehörigen, Freundinnen und die Schulgemeinschaft aus.
Er hebt die Bedeutung des Zusammenhalts hervor und bedankt sich bei den Einsatzkräften und Helfer*innen für ihren schnellen Einsatz. Um zukünftige Tragödien zu verhindern, kündigt er ein umfassendes Maßnahmenpaket an, das folgende Punkte umfasst:
- Entschädigungsfonds für betroffene Familien (z. B. Begräbniskosten, psychologische Betreuung)
- Flexibilität bei der Matura für Schüler*innen der betroffenen Schule
- Erhöhte Polizeipräsenz an Schulen bis Schuljahresende
- Stärkung der Schulpsychologie und verpflichtende Gespräche mit Schulabbrechern
- Sicherheits- und Präventionskonzepte für alle Schulen
- Verschärfung des Waffengesetzes, besonders für Risikogruppen
- Strengere Regeln für soziale Medien, um Radikalisierung zu verhindern
Die Bundesregierung verspricht, Verantwortung zu übernehmen und aus der Tragödie zu lernen. Ziel sei es, Schulen wieder zu sicheren Orten des Lernens und des Miteinanders zu machen. Die Regierungserklärung endet mit einem Appell an Mitmenschlichkeit, Verantwortung und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Sehr geehrte Österreicherinnen und Österreicher und alle Menschen, die hier leben,
sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung,
sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger vor den Bildschirmen!Ich stehe heute vor Ihnen und mein Herz ist schwer. Die letzten Tage waren Tage der Trauer für unser ganzes Land.
Es gibt keine Worte, die dem Schmerz, der Fassungslosigkeit und der Trauer gerecht werden könnten, die wir alle, die ganz Österreich empfindet.
Der Amoklauf am Grazer BORG Dreierschützengasse ist eine nationale Tragödie von einer Dimension, die uns bis dato glücklicherweise unbekannt war und stellt eine Zäsur dar.
Neun junge Menschen und eine Lehrerin wurden auf brutalste Art und Weise viel zu früh aus dem Leben gerissen.
Die Opfer wurden um ihre Zukunft und ihre Familien und Angehörigen um ihre Liebsten gebracht.
Meine Anteilnahme und mein tief empfundenes Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen.Den Eltern, die ihr Kind verloren haben.
Den Geschwistern, die nun ohne ihren Bruder oder ihre Schwester weiterleben müssen.
Den Familien, in deren Mitte nun ein Platz leer bleibt.
Den Angehörigen, den Freundinnen und Freunden, den Schülerinnen und Schülern, den Lehrerinnen und Lehrern und dem Schulpersonal, die das Unfassbare miterleben mussten und deren Leben dadurch von einem Moment auf den anderen für immer verändert wurde.
Wir denken an jene, die schwer verletzt wurden, an Körper und Seele.
Diese Tat trifft uns alle mitten ins Herz. Als Menschen. Als Mütter und Väter. Als Großeltern, Brüder, Schwestern, Freundinnen und Freunde.
Als Gesellschaft, die darauf baut, dass Schulen sichere Orte sind – Orte der Geborgenheit, des Vertrauens und des Lernens für das Leben, das noch vor einem liegt.
Dass dieser Raum der Sicherheit von solch sinnloser Gewalt erschüttert wurde, lässt uns alle fassungslos zurück. Weil man das Geschehene einfach nicht zu fassen vermag.
Gerade in solchen Stunden müssen wir zusammenstehen. Als Gemeinschaft, die Halt gibt. Als Gesellschaft, die Mitgefühl zeigt. Als Staat, der Verantwortung übernimmt.
Mein Dank gilt besonders jenen, die in den Stunden höchster Gefahr und größter Not mit Mut und Entschlossenheit gehandelt haben: Den Einsatzkräften der Polizei, der Rettungsdienste und den unzähligen Helferinnen und Helfern. Sie waren schnell vor Ort, haben Leben gerettet, Sicherheit gegeben und noch Schlimmeres verhindert.
Mein Dank gilt auch all jenen, die nun die Hintergründe dieser Tat aufklären und jenen, die den Überlebenden und den Angehörigen beistehen – psychologisch, medizinisch, seelsorgerisch und vor allem menschlich.
Mir ist bewusst: Kein Wort, keine Geste, keine Maßnahme kann den Schmerz der betroffenen Familien lindern.
Aber ich bitte Sie alle: Lassen wir niemanden in dieser Zeit der Trauer allein. Reichen wir einander die Hand. Zeigen wir, was Österreich ausmacht: eine Gesellschaft der Verantwortung, des Respekts und der Menschlichkeit.
Denn in diesen so schweren Stunden ist Menschlichkeit unsere stärkste Kraft.
Als Bundesregierung haben wir unmittelbar nach der Tat eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen. Als sichtbares Zeichen wurden die österreichischen Fahnen auf allen öffentlichen Gebäuden auf Halbmast gesetzt.
Und am vergangenen Mittwoch hat ganz Österreich in einer gemeinsamen Minute des stillen Gedenkens innegehalten – ein Zeichen der Verbundenheit mit den Opfern, ihren Familien, ihren Freunden.
Doch unsere Verantwortung endet nicht mit der Staatstrauer oder einer Schweigeminute.
Unsere Verantwortung ist es, die richtigen Lehren aus dieser Tat zu ziehen und alles zu tun, um ähnliche Vorfälle in Zukunft bestmöglich verhindern zu können.
Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir unsere Schulen noch sicherer machen können?
Wir müssen uns fragen, wie wir junge Menschen, die mit psychischen Problemen kämpfen, früher erreichen können – und zwar bevor Verzweiflung oder Wut in Gewalt umschlagen.
Wir müssen uns fragen, wie wir sicherstellen können, dass Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und Mitschüler Warnsignale erkennen und die Betroffenen Unterstützung bekommen.
Und wir müssen uns natürlich auch die Frage stellen, was wir gesetzlich ändern oder nachschärfen müssen, um die Menschen in unserem Land besser schützen zu können.
Diese Fragen zu beantworten, ist unsere Verantwortung und ich kann Ihnen versichern, dass sich die Bundesregierung dieser Verantwortung bewusst ist und ihr auch nachkommt.
Deshalb werden wir bereits diese Woche ein umfassendes Maßnahmenpaket im Ministerrat beschließen.
Dieses Paket umfasst einerseits unmittelbare Unterstützungen für die Betroffenen, andererseits aber auch grundlegende Anpassungen und Verbesserungen in den Bereichen Sicherheit, Prävention und Jugendhilfe.
Konkret werden wir einen Entschädigungsfonds schaffen, der es ermöglicht, den betroffenen Familien rasch und unbürokratisch zu helfen – etwa bei Begräbniskosten, psychologischer Betreuung oder anderen dringend notwendigen Unterstützungsleistungen. Auch gezielte Maßnahmen an der betroffenen Schule selbst werden aus diesem Fonds finanziert, um diesen Ort des Lernens und der Gemeinschaft wieder zu einem sicheren Raum zu machen.
Zudem wird es für die Schülerinnen und Schüler dieser Schule größtmögliche Flexibilität bei der Abwicklung der diesjährigen Matura geben. Wer sich entscheidet, auf die mündliche Prüfung zu verzichten, soll dennoch einen regulären Abschluss erlangen können – ein Zeichen des Verständnisses für die außergewöhnliche Belastung, unter der diese jungen Menschen stehen.
Darüber hinaus werden wir in enger Abstimmung mit den Bildungsdirektionen die Polizeipräsenz an Schulen erhöhen – zumindest bis zum Ende dieses Schuljahres. Damit soll nicht nur objektive Sicherheit gewährleistet, sondern auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Schülerinnen, Schüler, Lehrkräfte und Eltern gestärkt werden.
Ein Schwerpunkt dieses Pakets ist die massive Aufstockung der schulpsychologischen Betreuung im gesamten Bundesgebiet. Schulpsychologie muss künftig nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel sein – und sie muss jene erreichen, die sie am dringendsten brauchen. Künftig werden daher auch verpflichtende Beratungsgespräche mit Schulabbrechern eingeführt, um gefährdete Jugendliche rechtzeitig zu erkennen und aufzufangen.
Wir werden zudem die Sicherheits- und Präventionskonzepte an Schulen deutlich stärken und weiterentwickeln. Jede Schule soll in Zukunft über ein praxistaugliches und erprobtes Sicherheitskonzept verfügen, das regelmäßig evaluiert und angepasst wird.
Ein weiterer ganz wesentlicher Schritt ist die Verschärfung des Waffengesetzes.
Der Zugang zu Waffen muss in Österreich noch verantwortungsvoller geregelt werden. Dazu zählen strengere Eignungsvoraussetzungen für den Waffenbesitz sowie Einschränkungen für bestimmte Risikogruppen. Ergänzend wird der Datenaustausch zwischen den zuständigen Behörden verbessert – überall dort, wo eine individuelle Gefährdungslage erkennbar ist, müssen künftig automatisch waffenrechtliche Konsequenzen gezogen werden.
Gerade bei Jugendlichen mit erkennbaren Risikoprofilen wollen wir das Monitoring intensivieren und verpflichtende Unterstützungsmaßnahmen verankern. Prävention darf nicht an den Grenzen von Zuständigkeiten oder an fehlenden Informationen scheitern.
Schließlich werden wir uns auch für strengere Regelungen im Umgang von Kindern und Jugendlichen mit sozialen Medien einsetzen. Denn wir sehen: Digitale Plattformen sind längst nicht mehr nur Orte der Information oder der Unterhaltung – sie können auch Orte der Radikalisierung und Verrohung sein. Hier braucht es klare Regeln und klare Verantwortung, auch seitens der Plattformbetreiber.
Dieses Maßnahmenpaket ist ein erster entschlossener Schritt.
Aber uns ist klar: Nichts, was wir tun können, wird die zehn Menschen, die wir letzten Dienstag verloren haben, zurückbringen. Nichts wird das unerträgliche Leid der Familien heilen. Das ist uns schmerzlich bewusst.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Österreich hat gezeigt, dass es in der Stunde der Not zusammensteht. Die große Welle des Mitgefühls, die Solidarität in den sozialen Medien, die stille Anteilnahme auf den Straßen – all das gibt Hoffnung in dieser dunklen Zeit.
Hoffnung darauf, dass wir als Gesellschaft zusammenhalten, wenn es darauf ankommt. Dass wir es gemeinsam schaffen werden, die notwendigen Konsequenzen aus dieser Tragödie zu ziehen. Und dass wir unsere Schulen als Orte des Friedens und der Zukunft schützen.
Denn eines muss heute und in Zukunft gelten: Unsere Schulen müssen sichere Orte bleiben. Orte, an denen unsere Kinder unbeschwert lernen, wachsen und Freundschaften schließen können. Orte, an denen Neugier und Freude gedeihen – und nicht Angst und Gewalt.
Wir werden die Aufarbeitung dieser schrecklichen Tat mit aller Sorgfalt und Gründlichkeit durchführen.
Und ich kann Ihnen eines versprechen: Wir werden aus dieser Tragödie lernen. Wir werden handeln. Und wir werden als Gesellschaft zeigen, was unser Land stark macht: Mitmenschlichkeit. Verantwortung. Zusammenhalt.
Meine Gedanken und mein Mitgefühl sind bei den Opfern, bei den Hinterbliebenen, bei der Schulgemeinschaft in Graz.
Möge die Solidarität unserer gesamten Republik ihnen in diesen dunklen Stunden ein wenig Trost spenden.
Vielen Dank!
Foto Florian Schrötter / BKA