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Aufregung um Grazer Hundeausstellung

Hundezüchter beklagen Willkür von Amtstierärzten in Graz.

Hundeschau Graz

Knapp 1 Monat vor der kommenden Internationalen Hundeausstellung in der Grazer Stadthalle, verdichtet sich wieder die Aufregung unter Hundezüchtern, die ihre Hunde eigentlich bei der Hundeschau ausstellen wollen.

Was ist passiert?

Die Geschichte hat bereits während der letzten Hundeausstellung 2019 begonnen. Damals hatten die Amtstierärzte bei Kontrollen bezüglich Einhaltung der geltenden Gesetze, acht Hunde mit Qualzuchtmerkmalen von der Ausstellung ausgeschlossen. Oft seien die Tierärzte aber in der Amtshandlung dabei behindert worden.

Mehr zum Thema: Qualzuchten auf Hundeausstellungen – Grazer Hundeexpertin im Interview

Diesen Jänner bekamen laut Kleine Zeitung rund 40 Hundezüchter ein Schreiben mit der Aufforderung beim Strafamt zu erscheinen um sich dort rechtzufertigen, warum sie ihren Hunden im letzten Jahr die Jahr die Schnurrhaare geschnitten hatten.

Dem Veranstalter der Internationalen Grazer Hundeausstellung, Günter Wonisch vom Steirischen Hundesportklub, sieht nun mögliche Aussteller verunsichert und kritisiert Art und Weise der Kontrollen im letzten Jahr. Zudem gäbe es bereits ein Rückgang von 25 Prozent bei den Anmeldungen.

Rasieren der Tasthaare bei Hunden laut Gutachten in Österreich verboten

Bei der Internationalen Hundeausstellung in Graz waren im vergangenen Jahr im Zuge der amtstierärztlichen Kontrolle auch die Tasthaare der ausgestellten Hunde überprüft worden. In mehreren Fällen wurde das Fehlen der Vibrissen beanstandet, was das zuständige Veterinäramt als Verstoß gegen das Tierschutzgesetz wertete.

Das Vorgehen der AmtstierärztInnen vor Ort war absolut korrekt. Dass die Einschätzung der KollegInnen nun auch von unabhängigen ExpertInnen bestätigt wird, sollte den BefürworterInnen der Vibrissen-Schur zu denken geben.

sagt Barbara Fiala-Köck, Tierschutzombudsfrau in der Steiermark. Ein Gutachten, das die Tierschutzombudsstelle Wien aus diesem Anlass in Auftrag gegeben hat, kommt zum Ergebnis: Das Abschneiden, Scheren oder Rasieren der Tasthaare (auch Barthaare, Sinneshaare – im Fachjargon Vibrissen – genannt) ist aus kosmetischen Gründen ein unzulässiger Eingriff, der laut österreichischem Tierschutzgesetz verboten ist. Diese Position wird von einem breiten Bündnis aus Tierschutz, Veterinärmedizin, Wissenschaft und HundeverhaltensexpertInnen unterstützt.

In dem Gutachten wird die wichtige Funktion der Sinneshaare eingehend erläutert. „Vibrissen […] sind ein wichtiger Teil des taktilen sensorischen Apparats bei nahezu allen Säugetieren, außer beim Menschen“, heißt es in dem 15-seitigen Dokument. Zwar fehlt es bislang an seriösen wissenschaftlichen Studien über die Bedeutung der Vibrissen speziell für Hunde, doch „nach den anatomischen Gegebenheiten bei Hunden und nach verhaltens- und neurophysiologischen Daten anderer Säugetierarten, die mit Hunden vergleichbar sind, kann man die Hypothese aufstellen, dass es sich bei Vibrissen um Sinnesorgane handelt, die für die Tiere eine bestimmte Bedeutung bzw. Funktion haben“, schreiben Winkelmayer und Binder. So wird den Tasthaaren eine wichtige Rolle etwa bei der Orientierung im Dunkeln, bei der Wahrnehmung von Umgebung und Objekten sowie bei der Kommunikation zugeschrieben.

Wir hoffen im Sinne der Tiere, dass das Bewusstsein für das bestehende Verbot der kosmetischen Vibrissen-Schur unter HundehalterInnen, speziell bei den HalterInnen besonders betroffener Rassen und in den jeweiligen Verbänden, weiter zunimmt. 

so Fiala-Köck. Auch sollten bei internationalen Hundeausstellungen TeilnehmerInnen aus anderen Ländern im Vorfeld explizit auf die österreichische Gesetzeslage aufmerksam gemacht werden, um hier unangenehme Situationen zu vermeiden.

Reaktion vom Österreichischen Kynologenverband

Der Österreichische Kynologenverband (ÖKV) ist der Dachverband von rund 100 österreichischen Hundeverbänden mit rund 500 angeschlossenen Vereinen und als einziger österreichischer Hundedachverband Mitglied der internationalen Dachorganisation des Hundewesens (FCI). Die Stellungnahme vom ÖKV in der Angelegenheit lautet:

Dem ÖKV sind Schreiben der Stadt Graz übermittelt worden, indem einzelne Hundeaussteller der IHA Graz 2019 eine amtliche Aufforderung zur Rechtfertigung wegen angeblicher Übertretung des Tierschutzgesetzes bei dieser Hundeshow erhalten haben.

Grundsätzlich schätzen wir die rechtliche Situation aufgrund des Textes und des Zweckes des Tierschutzgesetzes anders ein und haben auch bereits bei und nach den Vorfällen versucht, die zuständigen Beamten von der aus unseren Sicht überzogenen und inhaltlichen falschen Auslegung des Gesetzestextes abzubringen. Wir bedauern daher die jüngste Entwicklung und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten sehr.

Wir haben jetzt unseren Rechtsanwalt beauftragt, entsprechende Schriftstücke zur Abgabe von fristgerechten Stellungnahme auszuarbeiten. Wir können den betroffenen Ausstellern eine für diese kostenlose anwaltliche Vertretung in der Beantwortung der oben erwähnten Aufforderung des Magistrates der Stadt Graz anbieten. Die Kosten für diese Vertretung übernimmt der Österreichische Kynologenverband (ÖKV), die uns bereits bekannten, betroffenen Aussteller werden von uns direkt über die weitere Vorgangsweise informiert. Ansonsten bitten wir um sofortige Übermittlung der amtlichen Aufforderung zur Rechtfertigung.

Österreichischer Jagdspaniel-Klub sagt Teilnahme bei der Hundeausstellung ab

Nun hat der Österreichischer Jagdspaniel-Klub (Landesgruppe Steiermark, Kärnten und Osttirol unter der Führung von Maria-Luise Doppelreiter aus Knittelfeld) eine Stellungnahme zur Absage der Landesgruppenschau für Spaniels in Graz veröffentlicht:

Aufgrund der starken Verunsicherung vieler treuer Teilnehmer unserer steirischen Landesgruppenschau für Spaniels und nach ausführlichen Beratungen und Diskussionen haben die Mitglieder der LG ST/K/OT des ÖJSpK den Beschluss gefasst, die für 1. März 2020 in Graz geplante LGS abzusagen.

Bei der Ausstellung 2019 in Graz wurden viele unserer Spaniel-Aussteller von den Amtstierärzt(inn)en in äußerst unhöflicher und übergriffiger Art darauf aufmerksam gemacht, dass die seit je her übliche Art, einen Spaniel zu pflegen, nicht dem Österreichischen Tierschutzgesetz entspräche, obwohl ein Verbot der Pflege eines Hundes und des Kürzens der Vibrissen aus hygienischen Gründen in keinem Paragraphen dieses Gesetzes explizit erwähnt wird (siehe auch Kleine Zeitung vom 17.1.2020 – Stellungnahme des zuständigen Referats der Stadt Graz). Die Hunde wurden durch die Amtstierärzte großem Stress ausgesetzt, grob am Kopf angegriffen und fest gehalten, um Fotos zu machen. Die Besitzer wurden gezwungen, Ausweise vorzulegen. Impfpässe und Ausweise wurden fotografiert und die Daten der Aussteller aufgenommen.

In den letzten Tagen wurden mehrere dieser Vorjahres-Aussteller durch die Grazer Bau- und Anlagenbehörde (Ref. für Straf- und Vollstreckungsangelegenheiten) zur Stellungnahme wegen dieser Vorkommnisse – mit der Anschuldigung, sie hätten durch das Ausstellen ihrer Hunde, deren phänotypisches Erscheinungsbild sie verändert hätten, indem sie ihre Hunde gepflegt und frisiert haben, gegen das Tierschutzgesetz verstoßen – sowie zur Offenlegung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert.

Der vor kurzem vom Veranstalter der IHA Graz veröffentlichte Bescheid der zuständigen Behörde (Verbot der Veränderung des Phänotyps von Hunden, Weitergabe von persönlichen Daten an die Behörden, Verbot der Verwendung von „dünnen“ Vorführleinen ohne Spezifizierung der Leinenstärke etc.) im Hinblick auf die IHA Graz 2020 führt zusätzlich zur massiven Irritation bei den Ausstellern.

Anmerkung der Redaktion: Der Text mit den Auflagen für die IHA Graz ist hier zu lesen.

Trotz mehrerer Anfragen war es uns leider nicht möglich, klare Auskünfte z. B. über die geforderte Breite der Ausstellungsleinen oder die erwünschte Mindestlänge der Vibrissen zu erhalten. Wir können unseren Ausstellern keinesfalls zumuten, dass sie der Willkür der Amtstierärzte ausgesetzt werden und aufgrund der sehr unsicheren Rechtslage und der willkürlichen Auslegung des Tierschutzgesetzes riskieren, eine Anzeige wegen nicht nachvollziehbarer Verstöße dagegen zu erhalten. Deshalb sehen wir uns zum Schutz unserer Aussteller und auch der Ausschussmitglieder unserer LG gezwungen, unsere Landesgruppenschau 2020 in Graz abzusagen. Jenen Ausstellern, die bereits ihre Spaniels für unsere  Landesgruppenschau gemeldet haben, werden wir die Meldegebühr zurück zahlen.

 

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