Start Graz Chronik Zum Tag der Behinderung

Zum Tag der Behinderung

Rollstuhlfahrer

Zum morgigen Tag der Behinderung möchten wir Christian Grübl von der Mosaik Bibliothek in Graz vorstellen und wie er den heutigen Umgang der Gesellschaft mit Behinderten empfindet.

Randgruppenthema Behinderung? Von wegen!

In Osttirol leben ausschließlich RollstuhlfahrerInnen, alle KärtnerInnen haben mehrfache Behinderungen und fast jede/r zweite WienerIn hat eine permanente Bewegungseinschränkung. So bildhaft kann man sich die Zahlen aus dem Behindertenbericht des Sozialministeriums vorstellen.

Eine Million ÖsterreicherInnen haben eine dauerhafte Bewegungsbehinderung, 50.000 davon fahren Rollstuhl. 580.000 Menschen haben mehrfache Behinderungen und 85.000 eine mentale Beeinträchtigung. Das Thema zieht sich durch allen Altersgruppen und Gesellschaftsschichten. Christian Grübl, Mitarbeiter der Mosaik Bibliothek in Graz, erzählt zum Tag der Behinderung am 3. Dezember, warum es manchmal nicht leicht ist, durch den Alltag zu rollen.

„Ich bin doch kein Außerirdischer“

Rollstuhlfahrer
Rollstuhlfahrer Christian Grübl, Mitarbeiter der Mosaik Bibliothek in Graz

Wer einmal ein schnödes Pflaster im Gesicht hatte weiß, wie unangenehm die Blicke der Mitmenschen sein können. Rollstuhlfahrer Christian Grübl wird damit täglich konfrontiert: „Meistens beachte ich es nicht, wenn mich jemand anstarrt. Ab und zu denke ich mir aber: Warum schaut der so komisch – ich bin doch kein Außerirdischer!“

Gesundheit, körperliche Leistungsfähigkeit und Intelligenz haben einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Menschen, die diesem Schema scheinbar nicht entsprechen, werden mit Vorurteilen, Aggressionen, Ausgrenzung oder vorgespielten Mitleid konfrontiert. Menschen mit Behinderung empfinden besonders letzteres meist als entwürdigend und unangenehm.

Rollstuhlfahrer – Na und?

Das weiß auch der 25-jährige Christian: „Besonders bei älteren Leuten fällt mir auf, dass sie oft in der dritten Person über mich reden, so im Sinne von: ‚Mei ist der Bub arm‘. Da muss ich mich dann echt zusammenreißen. Ich sitze im Rollstuhl, aber ich bin nicht dumm!“

Medial wird Behinderung gerne als persönliche Tragödie und die davon Betroffenen als bemitleidenswerte Opfer dargestellt. Diese Bilder werden von der Öffentlichkeit teils unhinterfragt übernommen, wie der junge Steirer schildert: „Vor ein paar Jahren waren wir mit einer Gruppe am Faschingsumzug in Graz. Ein Mann ist zu uns hergekommen und meinte: ‚Was macht’s denn mit den Behinderten da, geht’s wieder heim.‘ Dieser Satz tut mir heute noch weh.“

Rücksichtslos vs. Hilfsbereit

1,6 Millionen Menschen zwischen 16 und 64 Jahren sind in Österreich von Behinderung betroffen – im Alltag werden ihre Bedürfnisse aber wenig beachtet. „In öffentlichen Verkehrsmitteln passiert es mir regelmäßig, dass ich Taschen oder Rucksäcke ins Gesicht bekomme. Die Leute nehmen teilweise überhaupt keine Rücksicht und hören mir auch nicht zu, wenn ich um Vorsicht bitte. Einmal ist mir bei einer Drängelei im Bus schon die Sitzschale vom Rollstuhl gebrochen.“, ärgert sich der Bibliothekar.

Meist sind es Bequemlichkeit und Ignoranz, die Menschen mit Behinderung das Leben schwer machen. Christian Grübl möchte aber nicht nur jammern: „In den Lebensmittelgeschäften sind die Angestellten sehr hilfsbereit und in meiner Hausbank werde ich als Kunde ernst genommen. In der Freizeit am Fußballplatz merke ich, dass die Akzeptanz mir gegenüber deutlich besser geworden ist. Als Sturm Graz Meister wurde, haben mich die anderen Fans in die Mitte genommen und wir haben gemeinsam gefeiert.“

Behindert ist wer behindert wird

Erst wenn die Öffentlichkeit sich vom überkommenen Schubladendenken verabschiedet, wird ein natürliches Miteinander möglich und damit Behinderung in der Gesellschaft selbstverständlich. Christian Grübl nickt dazu: „Ich wünsche mir, dass die Leute uns Menschen mit Behinderung so akzeptieren wie wir sind. Ich fühle mich selbst nicht als behindert – ich bin ein Mensch wie jeder andere.“

Tipp: Christian Grübl erzählt hier aus der Sicht eines Rollstuhlfahrers, im hundund.de Hundeportal können LeserInnen über Erlebnisse einer Blinden mit ihrem Blindenführhund im Alltag nachlesen.

Danke auch an Frau Katharina Gruber für die Unterstützung bei diesem Artikel.

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