Brigadier Heinz Zöllner, Militärkommandant der Steiermark, sprach im Rahmen eines einstündigen Interviews mit Inside Graz und unserem Recherchepartner Inside Politics über die Modernisierung des Bundesheeres, neue sicherheitspolitische Herausforderungen und den Wandel des militärischen Selbstverständnisses.
Das Gespräch fand in der Gablenz-Kaserne in Graz statt. Hier findest du das komplette Video des Interviews, in dem der Brigadier über aktuelle Reformen, Aufrüstung und die Zukunft der Landesverteidigung spricht:
Vom Unteroffizier zum Militärkommandanten
Zöllner wurde 1966 in Weiz geboren und entschied sich nach der Matura für eine Laufbahn beim Bundesheer. Nach zwei Jahren als Unteroffizier absolvierte er die Militärakademie und wurde später Hörer des 15. Generalstabslehrgangs. Seit 2007 leitet er das Militärkommando Steiermark.
„Ich arbeite gern mit Menschen und gebe mein Wissen weiter“, beschreibt Zöllner seine Motivation für den Militärdienst. Privat lebt er in Graz, ist verheiratet, Vater eines Kindes und liest in seiner Freizeit Kriminalliteratur – oder steht am Grill.
Nachrüstung statt Aufrüstung
Im Gespräch betont Zöllner, dass die jahrzehntelangen Sparvorgaben beim Bundesheer spürbare Folgen hatten. Erst der russische Angriff auf die Ukraine habe Politik und Bevölkerung vor Augen geführt, dass Österreich in seine militärische Landesverteidigung investieren müsse.
„Ich sage nie Aufrüstung, weil wir nur jahrzehntelange Versäumnisse nachholen und unsere Ausrüstung auf den Stand der Technik bringen“, so der Brigadier. Besonders in der Steiermark habe sich viel getan – etwa beim Ausbau neuer Infrastruktur und bei der Anschaffung moderner Geräte.
Neue Aufgaben und regionale Bedeutung des Bundesheeres
Ein Beispiel für diesen Wandel ist die Kaserne in Aigen im Ennstal. Dort wurde eine neue Fliegerwerft eingerichtet, um die Hubschrauber vom Typ Leonardo AW169 Lion zu warten. „Innerhalb weniger Wochen konnten wir 200 Techniker rekrutieren“, berichtet Zöllner stolz.
Das Heer sieht sich zunehmend auch als regionaler Arbeitgeber, besonders in strukturschwachen Regionen. „Wir müssen dort hingehen, wo die Menschen sind. Der Mensch steht im Mittelpunkt – er ist unser höchstes Gut“, betont Zöllner.
Drei Aufgabenbereiche des Militärkommandos
Das Militärkommando Steiermark erfüllt laut Zöllner drei zentrale Aufgaben:
- Führung im Einsatz – etwa bei Assistenzeinsätzen oder in der militärischen Landesverteidigung.
- Territoriale Verwaltung – also die Versorgung und Betreuung der Soldatinnen und Soldaten.
- Behördenaufgaben – etwa im Munitionslagerwesen oder bei Sperrgebieten.
Im Mittelpunkt steht dabei die zivil-militärische Zusammenarbeit. Das Bundesheer arbeitet mit Feuerwehr, Rotem Kreuz, Landesregierung, Geologen und Ingenieuren eng zusammen. „Bei Katastrophen greifen viele Räder ineinander – nur gemeinsam kann man Krisen bewältigen.“
Sicherheitslage: neue Bedrohungen, neue Aufgaben
Zöllner sieht die Weltlage mit Sorge. „Die Konflikte rücken näher an Österreich heran, politische Akteure handeln oft unberechenbar.“ Österreich müsse sich wieder stärker auf militärische Landesverteidigung konzentrieren, nachdem das Heer in den vergangenen Jahren vor allem als Katastrophenschutz wahrgenommen wurde.
„Wir sind die Versicherungspolice für einen militärischen Anlassfall“, sagt Zöllner.
Die Grenzen zwischen zivilen und militärischen Bedrohungen verschwämmen zunehmend – etwa bei Cyberangriffen oder hybriden Operationen.
Graz als sicherheitspolitisches Zentrum
Graz nimmt für das Bundesheer eine strategische Schlüsselrolle ein.
„Als zweitgrößte Stadt Österreichs mit hoher Bevölkerungsdichte und wichtigen militärischen Einrichtungen spielt Graz natürlich eine besondere Rolle“, so Zöllner.
Hier befinden sich die meisten Schutzobjekte, die im Krisenfall zu sichern wären. Gemeinsam mit dem Sicherheitsmanagement der Stadt Graz arbeitet das Militärkommando an Plänen und Übungen. „Wir treffen uns regelmäßig – manchmal auch informell – um künftige Abläufe abzustimmen.“
Wichtige Schutzziele sind unter anderem das LKH Graz und der Flughafen Thalerhof, der zwar nicht mehr militärisch genutzt wird, aber in Sicherheitskonzepte eingebunden bleibt.
Infrastruktur und Modernisierung
In der Steiermark laufen derzeit mehrere große Bauprojekte beim Bundesheer:
- Zeltweg: Startbahn-Sanierung bis 2027, Vorbereitung der Airpower.
- Aigen im Ennstal: Ausbau der Fliegerwerft und neuer Tower.
- Strass und Feldbach: Werkstätten, Lagergebäude und neue Ausrüstung, darunter der Pandur Evolution.
„Früher habe ich Fahnen übergeben, wenn wir Kasernen zugesperrt haben. Heute überreiche ich wieder Spaten – es geht in die richtige Richtung“, sagt Zöllner mit sichtbarer Freude.
Menschen im Mittelpunkt: Motivation und Nachwuchs
Der Brigadier sieht das Bundesheer „wieder im Aufwind“.
„Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht gern in den Dienst gehe“, sagt Zöllner.
Mit moderner Ausrüstung und neuer Infrastruktur wolle das Heer junge Menschen motivieren, eine Laufbahn einzuschlagen – auch Frauen.
In der Steiermark gebe es bereits zwei Kommandantinnen: eine im Sanitätszentrum Süd und eine im Versorgungsregiment 1. „Je mehr Frauen in einem Verband sind, desto mehr kommen nach“, so Zöllner.
Miliz, Ausbildung und Wehrdienst
Ein weiterer Schwerpunkt des Gesprächs war die Zukunft der Miliz.
Zöllner sieht darin einen wichtigen Bestandteil der Landesverteidigung: „Unsere Miliz in der Steiermark ist gut aufgefüllt und bringt hervorragende Leistungen.“
Allerdings sei die Ausbildung durch die Verkürzung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate herausfordernder geworden.
„Mit jeder Verkürzung steigt der Bedarf an Systemerhaltern. Gerade wenn jemand Erfahrung gesammelt hat, ist er schon wieder weg.“
Drohnenabwehr und hybride Gefahren
Seit Jahren beschäftigt sich das Bundesheer intensiv mit Drohnenabwehr.
„Wir haben bereits bei der Airpower begonnen, auf solche Szenarien zu reagieren“, erklärt Zöllner.
Ein interministerieller Verbund erkenne heute unbemannte Fluggeräte und könne ihre Steuerung unterbrechen.
„Wir schießen keine Drohnen ab – wir trennen die Verbindung. Das ist sicherer und verhindert Kollateralschäden“, sagt der Brigadier. Nur in Extremfällen würde über härtere Maßnahmen nachgedacht.
Kooperation und Zukunft des Bundesheeres
Auch die Koralmbahn sieht Zöllner als Chance für das Heer: Sie verbessere die Verbindung zwischen den Militärkommanden Steiermark und Kärnten.
„Wir kennen uns seit der Militärakademie sehr gut. Das wird die Zusammenarbeit sicher noch enger machen.“
Zöllner bleibt optimistisch: „Das Bundesheer befindet sich im Aufbruch. Wir wollen den Österreicherinnen und Österreichern zeigen, dass sich dieser Weg lohnt – und dass sie Teil davon sein können.“